Was haben das Ritter Butzke und der BPW gemeinsam? Auf den ersten Blick nicht viel. Das eine ist ein ehemals illegaler Techno-Club, der mittlerweile eine feste Institution in der Berliner Partyszene ist. Das andere ist einer der renommiertesten Wettbewerbe für Gründerinnen und Gründer in Berlin und Brandenburg. Zur 2. Prämierung des BPW am 24. April 2024 kam dennoch zusammen, was eigentlich nicht zusammengehört. „Es freut mich unheimlich, dass wir alle heute Abend in dieser unglaublich tollen Location zusammenkommen“, begrüßte Janine Korbaniak von der Investitionsbank des Landes Berlin (IBB) alle Anwesenden. „Es ist toll, dass wir wieder volle Ränge haben. Besonders bedanken möchte ich mich schon jetzt bei der Gastgeberin des heutigen Abends, der Berliner Sparkasse“, schloss sich auch Sabine Becker von der Investitionsbank des Landes Brandenburg (ILB) an. Nancy Plaßmann, Vorstandmitglied der Berliner Sparkasse, erläuterte kurz darauf, warum Berlin ein guter Ort für’s Gründen ist: „Die gestiegenen Zinsen haben in der Start-up-Szene vor allem im vergangenen Jahr für große Unsicherheit gesorgt. Als Berliner Sparkasse tun wir alles in unserer Macht Stehende, um Start-ups weiterhin so gut es geht zu unterstützen. Wir glauben daran, dass Gründungen und die daraus entstehende Innovationskraft entscheidend sind für die Zukunftsfähigkeit von Berlin, Brandenburg und am Ende auch ganz Deutschland“.
40 Prozent mehr Einreichungen und zwei Erfolgsstorys
Dass in der Metropolregion trotz unsicherer Zeiten weiterhin fleißig gegründet wird, belegten die Wettbewerbszahlen der 2. Phase des BPW. Mit 166 Einreichungen stieg die Zahl im Vergleich zum Vorjahr um ganze 40 Prozent! Die Einreichungen setzten sich aus 38 Business Modell Canvas Konzepten und 128 Businessplänen zusammen. Die Frauenquote lag bei 41,22 Prozent. Eine Frau, die sich bereits in der Vergangenheit beim BPW bewiesen hat, ist Jaqueline Grätz. Im Gespräch mit Christian Segal von der Berliner Sparkasse erzählte die Gründerin von EasyPeasy Berlin, einem Kaffee im Prenzlauer Berg, was ihr als Gründerin wichtig ist: „Ich habe im Leben viele verschiedene Dinge probiert. Mein Traum war es aber schon immer, ein kleines Kaffee zu eröffnen. 2021 machte ich meinen Traum wahr. Gründen ist nicht leicht und im Gastro-Bereich besonders schwer. Wichtig ist es, immer bei der Sache zu bleiben und sein Konzept durchzuziehen. Bei EasyPeasy zahlen wir mehr als den Mindestlohn und haben schon jetzt die 4-Tage-Woche. Wir wollen, dass Gastronomie wieder Spaß macht“. Eine Herangehensweise, die funktioniert. Die Gründerin denkt über weitere Filialen nach und hat noch einen Tipp: „Lest euch Verträge gut durch. Einmal, zweimal und am besten mit einem Notar. Dann kann eigentlich nicht mehr viel schiefgehen“. Maik Strömer, Mitgründer der dive solutions GmbH, einem Deep Tech-Unternehmen, das Software für Strömungssimulation entwickelt, war 2018 beim BPW dabei und berichtete, wo sein Unternehmen heute steht: „Wir sind mittlerweile 30 Leute, haben einen siebenstelligen Umsatz und wachsen weiter, aktuell auch mit einem Standort in den USA. Aus heutiger Sicht hat uns der BPW sehr geholfen. Wenn man am Anfang steht, ist es wichtig, mit seinem Konzept zu überzeugen. Entscheidend, um am Ende erfolgreich zu sein, ist aber, dass das Produkt wirklich gut ist“.
Zehn Pitches und die Bitte um Hilfe bei der Wohnungssuche
Im Anschluss folgte mit der Pitch-Session der vorläufige Höhepunkt des Abends. Jedes der zehn Finalisten-Teams hatte die Chance, die Anwesenden in jeweils 90 Sekunden von seiner Idee zu überzeugen. Welches Produkt würde überzeugen? Wie wird es präsentiert und wer steckt dahinter? Die Vielfalt der Geschäftsideen war in jedem Fall groß: Eine KI-Kamera, die in Krankenhäusern dafür sorgt, dass chirurgische Instrumente zu jeder Zeit an der richtigen Stelle sind, eine App, die einen mit Handwerkerinnen und Handwerkern aus ganz Deutschland verbindet, um Reparaturen unter Anleitung selbst durchzuführen, ein Digital Supply Chain Twin, der reale Wertschöpfungsketten digital abbildet und es ermöglicht Unternehmensentscheidungen und -entwicklungen möglichst realitätsnah zu simulieren. Die für den Pitch vorgesehenen 90 Sekunden reichten nicht allen aus, sodass Sabine Becker (ILB) das ein oder andere Mal intervenieren musste. Die vorzeitigen Abbrüche und teilweise freiwillig, teilweise unfreiwillig unterhaltsamen Pitches sorgten an diesem Abend aber für viele begeisterte Gesichter. Den größten Lacher verbuchte Dr. Benno Gerlach für sich, der nur 75 Sekunden zum Pitchen benötigte und die verbliebene Zeit dazu nutzte, um nach Hilfe bei der Wohnungssuche zu fragen. Zwei Zimmer, 800 Euro warm. Wer weiß was?
Berlin oder Brandenburg? Hauptsache hier!
Vor der Verkündung des Publikums-Votings nutzten die anwesenden Landesvertreter von Berlin und Brandenburg die Gunst der Stunde, um aktuelle Perspektiven für junge Unternehmen in der Metropolregion zu besprechen. Auf die Frage, wie der aktuelle Stand der Innovationslandschaft Berlins sei und wo es noch Nachholbedarf gäbe, antwortete Michael Biel (Staatssekretär für Wirtschaft in der Berliner Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe): „Das Wichtigste vorneweg. Es wird noch gegründet. Und das nicht zu knapp. Nachholbedarf gibt es mit Sicherheit überall. Aber wir sind dran. Derzeit läuft beispielsweise die Start-up-Agenda sowie ganz aktuell ein Chancenfonds, der Frauen zur Gründung ermutigen soll. Zudem stehen wir unmittelbar vor der Gründung des House of Finance and Tech, das zur zentralen Anlaufstelle für Akteurinnen und Akteuren der Szene werden soll, um Berlin als führenden europäisches FinTech-Hub zu stärken. Mit diesen und vielen weiteren Maßnahmen wollen wir Berlin zum Innovationsstandort Nummer 1 in Europa machen“.
Carsten Schöning, Abteilungsleiter im Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Energie des Landes Brandenburg, betonte, dass Berlin und Brandenburg eine Einheit sind: „Im Endeffekt spielt es keine Rolle, ob man in Berlin oder Brandenburg gründet. Wichtig ist, dass es hier in der Metropolregion passiert. Natürlich bietet Brandenburg gegenüber Berlin an der ein oder anderen Stelle Vorteile. Auf Grund des guten Umfelds und der vorhandenen Flächen ist Brandenburg wie geschaffen für industrielle Gründungen. Zudem sind die Preise für Mieten im gewerblichen, aber auch im privaten Bereich deutlich günstiger. In der Lausitz gibt es aktuell sogar ein Startgeld für Gründerinnen und Gründer. Um die aktuelle Aufbruchsstimmung in Brandenburg weiter zu befeuern, gibt es seit diesem Jahr einen neuen Gründungspreis, der sich auf weibliche Gründungen, Gründungen mit Migrationshintergrund und Nachfolge fokussiert“.
Das Preisgeld für eine richtig fette Weihnachtsfeier
Im Anschluss folgte der Moment, auf den die zehn Finalistinnen und Finalisten lang gewartet haben – die Verkündung Gewinnerinnen und Gewinner von Publikums- und Jurypreis und damit die Auszeichnung mit 2.000 bzw. 15.000 Euro. Der Publikumspreis bei der 2. Prämierung des BPW 2024 ging an … Tvinn und deren Entwicklung einer Software, die ein digitales Abbild einer Wertschöpfungskette erschafft. Unter großem Jubel kam das Team um CEO Dr. Simon Zarnitz auf die Bühne und nahm die Auszeichnung entgegen. Wofür das Geld verwendet wird, offenbarte er umgehend: „Die 2.000 Euro nehmen wir gerne mit, um eine fette Weihnachtsfeier zu schmeißen … nein, natürlich nicht. Nachdem wir das User-Research kürzlich abgeschlossen haben, fließt nun jeder Cent in die Softwareentwicklung. Natürlich auch das Preisgeld“!
Bevor Nancy Plaßmann von der Berliner Sparkasse wenig später den mit 15.000 Euro dotierten Jurypreis übergab, prüfte sie noch mal ganz genau, ob das Unternehmen auf ihrer Moderationskarte das Richtige ist. Es sah ganz danach aus. Nach kurzem Durchatmen war es so weit: „Der Jurypreis der 2. Prämierung des BPW 2024 geht an AdaptX Systems“. Das Start-up hat eine geschlossene Innenkühlung entwickelt, die kein Kühlmittel verbraucht und den CO₂-Ausstoß um bis 90 Prozent reduziert. Nach der ersten Prämierung im Januar 2024 gewann das Unternehmen den Jurypreis bereits zum zweiten Mal. Mitgründer Paul Meier gab Einblicke in die Konkurrenzfähigkeit von AdaptX Systems: „Aktuell gibt es keinerlei Konkurrenz auf dem Markt. Dennoch gibt es Hürden. Die Metallverarbeitung ist insgesamt sehr divers, sodass wir Dinge immer wieder individuell anpassen müssen. Zudem haben wir gemerkt, dass KMU, die Zielgruppe, die wir eigentlich ansprechen wollten, wenig Zeit haben, um sich um nachhaltige Produktionsprozesse zu kümmern. Dies geschieht eher in großen Konzernen“. Nach der Prämierung hatten Publikum, Gründerinnen und Gründer die Möglichkeit, den Abend bei warmem Grillgut und leckeren Drinks ausklingen zu lassen und sich an einem Ort, an dem eigentlich wild getanzt wird, entspannt miteinander zu vernetzen.