Für die meisten Menschen ist es in der Theorie klar und selbstverständlich, dass sie in Notfallsituation helfen. Die Praxis sieht jedoch oft anders aus. „Viel zu wenige Menschen leisten Erste Hilfe. Und dass, obwohl es sogar rechtlich verpflichtend ist. Wer teilnahmslos daneben steht, muss mit einer Geld- oder sogar einer Gefängnisstrafe rechnen“, erzählt Anna Koppmann, Mitgründerin von first aid gloves, dem Unternehmen, dass in der zweiten Phase des BPW überzeugen konnte und denPublikumspreis gewann. Meist sind nicht Gleichgültigkeit oder böse Absicht schuld daran, dass viele Menschen wegschauen, anstatt aktiv zu werden. Oft mangelt es schlicht an Kenntnissen, da selbst, wenn man dann und wann einen Erste-Hilfe-Kurs absolviert hat, die Praxis fehlt. „Das Gelernte wird schnell vergessen und der Ernstfall so zum Rätselraten“, berichtet Mitgründerin Marie Radke. Dies wollen die zwei studierten Produktdesignerinnen mit ihren bedruckten Einmalhandschuhen ändern. Die first aid gloves verbinden den Basisschutz von medizinischen Einmalhandschuhen mit hilfreichen Anweisungen zur Ersthilfe. Grundlage des Produktdesigns sind Gespräche mit Krankenhauspersonal, Feuerwehren sowie Rettungssanitäterinnen und Rettungssanitätern.
„Mut spenden und damit Leben retten“
Mit den first aid gloves sollen Menschen dazu ermutigt werden, in Unfall- oder Notfallsituationen aktiv einzuschreiten, da sie dank ihnen auch ohne ständige Praxis Ersthilfe leisten können. Auf den Handschuhen sind wesentliche Handlungsschritte erläutert, die im Ernstfall Leben retten können. Mittels international verständlicher Piktogramme ermöglichen sie sicheres und intuitives Handeln, so dass hektische Notfallsituation bewältigt werden können. Informationen, die Anwenderinnen und Anwender den Handschuhen entnehmen können, sind: Wie überprüfe ich Atmung und Ansprechbarkeit der Person? Wie versetze ich sie in die stabile Seitenlage und wie führe ich eine Reanimation korrekt durch, um die Überlebenschance bis zum Eintreffen eines Rettungswagens zu erhöhen? „Unser Produkt soll helfen, persönliche Hürden zu überwinden, Mut spenden und damit letztendlich Leben retten“, erklärt Marie Radke.
Begonnen hat alles im Rahmen eines Semesterprojekts an der Universität der Künste (UdK), an der sich die Produktdesignerinnen fanden. „Wichtig war und ist uns, dass wir Dinge entwickeln, hinter denen wir stehen können, Dinge, die das Potenzial haben, einen positiven Einfluss auf die Gesellschaft auszuüben. In den first aid gloves sehen wir genau so ein Produkt“, so Koppmann. Richtig loslegen konnten die Gründerinnen, als sie Anfang 2022 das Berliner Start-up-Stipendium der UdK erhielten. Im Jahr darauf folgte die Teilnahme am BPW.
Es braucht mehr als eine Idee für ein Unternehmen
Der Wettbewerb ermöglichte den Gründerinnen das Ausformulieren eines ausführlichen Businessplans unter professioneller Anleitung. „Wir haben schnell gemerkt, dass es nicht nur die Idee ist, die ein Unternehmen ausmacht, sondern das ganze Drumherum. Das Sichern der Finanzierung, das Aufbauen eines Netzwerks und die Übertragung des Produkts von der Idee in die reale Anwendbarkeit“, blickt Radke auf den Prozess zurück. Bei all diesen Dingen hat der BPW große Hilfe geleistet, so dass einer Markteinführung grundsätzlich nichts mehr im Wege steht“.
Ziel der Gründerinnen ist es, so viele Menschen wie möglich zu erreichen, um Erste Hilfe zu erleichtern und somit auch die Zivilcourage insgesamt zu fördern. Aktuell geht es vor allem darum, die „Basisversion“ der first aid gloves an den Mann und die Frau zu bringen. „Wir hoffen, dass unsere Handschuhe schon bald einen Großteil der aktuellen Standardmodelle ersetzen. Im Erste-Hilfe-Koffer auf der Arbeit oder dem Erste-Hilfe-Set in PKWs. Tritt der Ernstfall ein, können dank ihnen zukünftig auch Laien, die sich in einer Notfallsituation unsicher sind, aktiv helfen“.