Das Gründungsteam von Shit2Power nahm bei der 3. Wettbewerbsphase des BPW 2023 teil. Den Sieg trug das Team nicht davon. Dennoch sorgte das Start-up mit seiner Idee für Aufmerksamkeit. Aus dem Labor heraus wollen Nina Heine und Fabian Habicht bald aus Klärschlamm Energie zum Betreiben von Klärwerken gewinnen.
Weltweit werden nur rund 20 Prozent des Abwassers geklärt. In Deutschland sind es immerhin beinahe 100 Prozent. „In Deutschland ist die Abwasserklärung gesetzlich vorgeschrieben. Weltweit liegt die Klärungsrate darunter. Die Hauptursache liegt darin, dass der Prozess einfach nicht wirtschaftlich ist. Manche Gemeinden in Deutschland geben bis zu 60 Prozent ihres Jahreshaushalts nur für die Abwasserklärung aus“, so Fabian Habicht, der Doktor der Ingenieurwissenschaften ist. Global betrachtet landen die Abwässer, die nicht geklärt werden, in Flüssen und Meeren, wo sie direkte Umweltschäden verursachen. „Wir wollen einen wirtschaftlichen Anreiz für die Klärung von Abwasser schaffen, um Abfall zu reduzieren und Süßwasser im Kreislauf zu halten“, so Gründerin Nina Heine, die an der Copenhagen Business School mit dem Master of Social Science in Innovation und Entrepreneurship abschloss.
Klärschlamm als Problem und Lösung
Den Anstoß zur Idee erhielt Nina Heine in einem landwirtschaftlichen Projekt, in dem ein Landwirt sie auf das „Klärschlammproblem“ aufmerksam machte. „Der Klärschlamm, also das, was nach der Abwasserbehandlung in Klärwerken übrig bleibt, fährt in Deutschland große Strecken über die Autobahnen. Ich fand das absurd und dachte, warum?“ Nina Heine begann zu recherchieren und stellte fest, dass das eigentliche Abfallprodukt Klärschlamm genauso gut als Energielieferant genutzt werden kann. Was ihr zu diesem Zeitpunkt noch fehlte, war ein Geschäftspartner mit technischem Hintergrund. Also machte sie sich auf die Suche nach einem Co-Founder und fand Fabian Habicht. Die Gründung von SHIT2POWER GmbH erfolgte im Februar 2023.
Prototyping wichtiger als Perfektion
„Eine Sache, die wir gleich zu Beginn gemacht haben, war eine Energie- und Stoffbilanz, um die Frage zu beantworten, ob am Ende mehr Energie rauskommt als wir reinstecken müssen. Aus Gesprächen mit Expertinnen und Experten sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern lernten wir, dass der Klärschlamm, der als Abfallprodukt übrig bleibt, 1,3 bis dreimal so viel Energie enthält, wie es zur Abwasserklärung überhaupt braucht“, so Habicht. Wenn es nicht so gewesen wäre, hätten wir es von vornherein lassen können. Dann haben die Gründenden laut eigener Aussage die hässlichste Anlage zusammengebaut, die man sich vorstellen kann. Das Wichtigste war jedoch nicht die Optik, sondern dass am Ende tatsächlich ein brennbares Gas rauskam. Fabian Habicht ergänzt: „Anschließend haben wir die technische Innovation zum Patent angemeldet“.
Nun beginnen die ersten Überlegungen zur Konstruktion eines skalierbaren Prototyps, der direkt an Kläranlagen stehen soll. Der Plan sieht aktuell vor, in ungefähr fünf Jahren Hightech-Serienanlagen in Deutschland und Europa zu installieren. „Mit der Hightech-Anlage legen wir einen klaren Fokus auf Klärschlamm von kommunalen Kläranlagen. Die Anlage ist für 30.000 Einwohnerinnen und Einwohner ausgelegt. Der Grund ist, dass die Schwierigkeiten der Schlammentsorgung vor allem bei Städten und Gemeinden dieser Größe auftreten“, so Nina Heine. Die Anlagen sind stapel- und erweiterbar, sodass auch die Versorgung größerer Kläranlagen in Orten mit 90.000 oder 120.000 Einwohnerinnen und Einwohnern kein Problem wäre. Für den darüber hinausgehenden weltweiten Markt will Shit2Power langfristig Lowtech-Anlagen konzipieren, die einfach in Handhabung und Wartung sind.
„Du musst wissen, wofür du etwas tust“
Dass der Weg noch lang und das Aufbauen eines Start-ups alles andere als einfach ist, weiß dasGründungsteam nur zu gut. „Was es unbedingt braucht, ist ein großer innerer Antrieb, um dranzubleiben. Egal, was man machen will, es muss etwas sein, hinter dem man wirklich steht. Du musst nicht wissen, warum, sondern wofür du es tust. Entscheidend ist dabei nicht Schnelligkeit, sondern Kontinuität“, beschreibt Heine ihre Motivation. Sie arbeiten mit klar definierten Deadlines, um sich nicht zu verzetteln. Was wie ein Hemmnis klingt, ist für beide eine Portion Extramotivation. „Die Deadlines, die wir uns selbst setzen, helfen uns dabei, den Fokus nicht zu verlieren und Lösungen auch unter Druck zu finden“, so Habicht.
„Start-up“ ist sich Heine sicher, „bedeutet heftigste Achterbahnfahrt, die nicht für jeden etwas ist. Wichtig ist es, diese Wellen nicht auf sich zu beziehen und darauf eingestellt zu sein“. Helfen könne der Aufbau eines Netzwerks, um beispielsweise zu erfahren, was andere Start-ups, die zwei, fünf oder acht Jahre älter sind, im Laufe ihrer Entwicklung für Erfahrungen gemacht haben. Auch den BPW empfehlen die beiden allen Gründerinnen und Gründern: „Wir sind erst in der 3. Phase eingestiegen und würden allen, die über eine Teilnahme nachdenken, ans Herz legen, möglichst früh dabei zu sein. So hat man die Möglichkeit, den kompletten Wettbewerb zu begleiten, möglichst viel Feedback zu erhalten und sein Netzwerk nachhaltig zu erweitern“.